Ehe wir abgereist sind, habe ich die Bruchbude gekauft. Das war jetzt die Kurzversion – wir haben zwei Jahre lang intensiv renoviert und versucht in der Zeit alles auf stabile Beine zu stellen, sodass das Ding ein Jahr lang ohne mich läuft. Vermietet ist es eh, wie immer, und ich bin ein Fan von Einzugsermächtigungen. Als ich losgefahren bin, dachte ich, alles wäre organisiert. Ich revidiere: Fast alles: Verweigert hat sich bis zuletzt eine Firma in Coburg, die die Heizung wartet. Heizungswartung bei einer alten Gastherme halte ich aber für sinnvoll und daher habe ich mich schwer bemüht, in vielen Telefonaten zu vermitteln, dass sie warten sollen, nicht mich, sondern meinen Mitbewohner wegen eines Termins befragen sollen und generell alles schicken sollen, ich überweise dann. Das war das einzige gallische Dorf. Dachte ich. Während der Fliesenleger noch Fliesen gelegt hat, während wir am Flughafen saßen (Rechnung kam per E-Mail), der Arzt noch letzte Rezepte abgerechnet hat (Rechnung kam per Threema), der Badmensch noch ein kaputtes Klo ausgetauscht hat (Rechnung per Mail), hat sich ein Badregal-Versandhaus etwas unerwartet geradezu hinterrücks mit schriftlichen Forderungen angemeldet. Das war wirklich mein Versehen, aber da ich dasselbe Badschränkchen zweimal bestellt habe, aber nur einmal überwiesen (die Hektik vor Abfahrt), zahle ich gern so ein paar Euro als Wiedergutmachung. Irritierender waren Rechnungen von der Stadt Coburg über Müllgebühren. Schließlich hatte ich doch alles, was das Haus anging, über Einzugsermächtigungen gelöst. Daher habe ich die ersten Mahnungen, die mir brav von meinem Mitbewohner eingescannt wurden, auch etwas ignoriert, kamen sie doch von einem Unternehmen, das prinzipiell abbucht. Warum also der Stress? So wurden aus den 2,53 Euro, die die Müllgebühren im Quartal höher sind, im Laufe des Quartals 7,53 Euro. Und der Tonfall der Briefe wurde schärfer. Im gleichen Atemzug bekam Peter Post von seiner Krankenkasse mit dringendem Aufforderungscharakter und hohen Forderungen, wenn nicht bis zum Soundsovielten irgendwelche Briefe zurückgeschickt werden sollten. Außerdem hat er in seiner Abwesenheit anscheinend ein neues Fahrzeug in Unna zugelassen und versichert. Dessen war sich die HDI sicher. Somit haben wir eines Abends zu einer für Deutschlands Ämter verträglichen Zeit (also quasi bei uns deutlich nach dem Schlafengehen) eine Telefonaktion größeren Ausmaßes gestartet. Bis auf meine Mahnungen („Sie haben für alles Einzugsermächtigung erteilt, aber für die Müllgebühr haben Sie das Häkchen vergessen zu setzen“) ließ sich alles unproblematisch telefonisch in Luft auflösen. Peter hätte sogar die unglaublich niedrigen Prozente des ähnlich lautenden Fremden aus Unna übernommen; dies jedoch ist nicht möglich. Bleibt noch der unliebsame Nachbar, der einen wirklich ungünstigen Zeitpunkt gewählt hat (Anfang August), um uns allen mitzuteilen, dass er aufgrund von Tiefbaumaßnahmen auf seinem Grundstück uns den Abwasser-Kanal abschneidet. Hektische Recherchen vor Abflug haben ergeben, dass er das tatsächlich kann und darf, denn der Kanal der vor 80 Jahren gebauten Häuser verläuft quer zur Stadtleitung durch alle Grundstücke bergab durch seine Grundstück, ehe es dann über die Schule in die allgemeine Entwässerung fließt. Früher galt Nachbarschaft mehr und über vertragliches Festhalten von Grunddienstbarkeiten hat man 1938 wohl nicht mehr nachgedacht. Beginn der Baumaßnahmen und damit Ende unseres Kloabflusses: April 2020. Da bin ich natürlich nicht da. Somit darf nun mein armer Mitbewohner stellvertretend für mich die Scheiße auslöffeln. Also hoffentlich nicht wörtlich. Mal sehen, wie es aus der Ferne funktioniert, ein Tiefbauunternehmen mit in Grundbücher eingetragener Grunddienstbarkeit für immer wasserdicht zu machen…

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