„Island wäre doch mal schön!“ – eigentlich war ich in den nordischen Ländern ja schon oft, aber noch nie so richtig, heißt: Mit Zelt und mitten drin in der Wildnis. Wir haben lange Bilder angesehen und Verbindungen gesucht, Reiseführer gekauft – ein tatsächlich lange nicht mehr durchgeführter Prozess des „Aneignens“ eines Landes. In den letzten Jahren war ich entweder der Nase nach unterwegs (Neuseeland, Schottland), der Straße nach (Nordkap), dem Kletterführer nach oder meiner Munro-Landkarte. Und in Schottland brauche ich eh keine Hinweise mehr. Also Island diesmal. Am besten eine oder mehrere der bekannten und eventuell eine eher unbekannte Trekkingtour. Die berühmten Namen locken: Myvatn, Hornstrandir, Landmannalaugar. Gebucht, geplant, gereist – doch dann kam die kurze, heftige Krankheit und der Tod meines Vaters dazwischen und irgendwie geriet darüber verständlicherweise die Planung ins Hintertreffen. Im Familienrat wurde dann beschlossen, dass die Beerdigung noch die zwei Wochen warten könne und ich konnte am Abreisetag mit dem Packen anfangen. Mit dabei war trotz der Kürze der Zeit dann schon alles – also fast alles. Der Trekkingführer lag noch daheim, was wir aber bereits nach einer halben Stunde Fahrt entdeckten. Erst fluchend, dann resigniert waren wir also nach einer Stunde wieder daheim. Beim zweiten Mal klappte dann alles und es konnte losgehen. Ob das vedur auch mitmachen würde? Im Nachhinein war das Wetter verblüffend reisefreundlich, weil fast immer trocken, aber machte uns doch den einen oder anderen Strich durch die Rechnung: Gleich in der ersten Nacht zerstörte der ständige eisige Wind die durch ein Sabbatjahr und 6 weitere intensive Outdoor-Action-Jahre gequälte Außenzelt meines geliebten MSR Hubba Hubba HP. Das äußere Material hatte im letzten Jahr bereits in Schottland einen Riss erlitten, der fachmännisch geklebt wurde. Aber offensichtlich war das keine Ausnahme. Die Notreparatur war unumgänglich und nun weniger fachmännisch mit einem Stückchen Zelthaut vom Zeltsack und Sekundenkleber. Aber nun war natürlich das Vertrauen vollends weg – und es war immer nur eiskalt und windig. Sollte man mit einem Zelt, das nur noch durch meinen Willen und ein bisschen Pergament zusammengehalten wurde, die Überfahrt nach Hornstrandir wagen und dort bei Schnee und Eis weitab der Zivilisation im heftigen Nordwind zelten? Die nächsten 1000 km bis Isafjördur waren von dieser Diskussion geprägt. Kurzer Vorgriff: Wir haben es nicht gewagt, das tapfere Zelt hielt brav bis zur letzten Nacht – nach der war aber klar – das wars nun mit unserer gemeinsamen Reise. Also musste Plan B her: Myvatn, dort eine Trekkingtour. Und siehe da: Plötzlich lief alles wie am Schnürchen. Vom Myvatn kann man bis zum Viti-Krater laufen und dann in einem großen Bogen über und durch bzw. an mehreren Lavafeldern verschiedenen Alters entlang zu einer Schäferhütte und dann wieder zurück zum Ausgangspunkt. Dabei kommt man an irren Lavaformationen vorbei, durch kilometerweit schwarze Steinwüste, gefolgt von einem grünen Tundragebiet, nur um dann wieder im Schwefelgestank des Viti-Kraters und der benachbarten Solfatarenfelder zu landen. Das war letztlich dann auch der Höhepunkt unserer Tour. Nun war Zeit, zu überlegen, wie die letzte Woche gestaltet werden sollte. Und der leicht irrwitzige Plan, der sich herauskristalllisierte, bestand darin, mit dem Mini-Leihwagen die Kjalvegur-Straße zu fahren. Früher als F35 tituliert, sind mittlerweile PKW-Durchfahrten möglich. Langsam. Möglich heißt nicht unbedingt „mit einem Mietwagen erlaubt“. Das haben wir dann bei km 89 von 180 im Kleingedruckten des Mietautos entdeckt. Da lagen dann allerdings bereits mehrere Stunden Schritttempo im Vulkansand und über Schotter von Kindskopfgröße hinter uns. Und wir hatten keine Lust auf Umdrehen. Engagierte Nachfragen beim Personal in Hvervellir ergaben: Die südliche Strecke sei problemlos befahrbar. Haja – wie die Schotten 10 Grad Celsius als „Sommer“ empfinden, so empfinden die Isländer Straßenverhältnisse auch etwas anders als Zentraleuropäer. Von 20 Uhr bis 1 Uhr nachts brauchte unser Winzling für die restlichen 90 km bis zum Zeltplatz. Dafür bin ich jetzt also mal wieder gefühlt offroad als Beifahrer ängstlich am Sitz festgeklammert gefahren….

Island – ist definitiv nochmal eine Reise wert. Ich würde allerdings das nächste Mal definitiv vorher das Zelt ersetzen gegen ein sturmstabileres, und mehr Mehrtagestouren machen. Wir haben unsere erlaubten 2800 km völlig ausgereizt und vor lauter Sitzen tat uns alles weh. Ungeklärt bleibt nur die Kartenfrage: Wie soll man in einem wüsten Land eine Wandertour beginnen und enden, wenn man keine Karte hat und die Beschreibung lautet: „Beim Parkplatz des Hotels beginnt der Wanderweg“, wenn aber das Ziel des Weges im Nebel verborgen ist und es kein Hotel des Namens mehr gibt? Da müsste dieses Land noch ein bisschen nachlegen, ehe ich mich voll hineinstürzen würde. Nichtsdestotrotz: Ein tolles Land!

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