Ich war früher gern am Meer, ehe ich das Klettern entdeckt habe. In Deutschland ist die Kombination schwer zu finden – Fels und Meer. In NZ ist das einfacher – sogar mitten im Lande gibt es da ein Meer. So hat es sich jedenfalls angefühlt, als wir – aufgrund meiner eingeschränkten Fitness – all unser Geraffel inklusive dreier Seile in die Rucksäcke gestopft haben und Sue angerufen haben. Sie würde uns um 14h zum Klettern in der Kawakawa-Bay fahren: Mit dem Boot über den Taupo-See. Als Landratte habe ich beim Planen vom Wetterbericht nur die drei regenlosen Tage gesehen und nicht auf die Windstärke geachtet. Um 14h ähnelte der sonst sicher gemütliche Strandbereich der Nordsee bei Sturm. An Bootbefahrung war nicht zu denken. Die Skipperin – blond, schlank, total nett – lächelte und verschob auf 16h. Um 16h war angeblich eine leichte Verbesserung zu sehen, doch fahren konnte man noch nicht. Um 17h ging es dann los: In einer Nussschale fuhr Sue uns durch gut einen Meter hohe Wellen zur Nachbarbucht. Ich war völlig überrascht von den brutalen Kräften, die auf das Boot wirkten und die unsere sackschweren Rucksäcke bei jedem Aufprall im nächsten Wellental zum Springen brachten. Die Bananen waren hinterher ordentlich Matsch. Es war die wildeste Achterbahnfahrt meines Lebens! Auch das Anlanden am Strand war spannend, da der Wind und die Wellen das Boot an den Strand drückten, sodass Peter raus ins Wasser musste und das Boot vom Strand wegdrückte, während ich die Gepäckstücke durch die Wellen den fein gekieselten Strand hinauf schleppte. Das war bislang der spektakulärste Zustieg meiner Kletterkarriere!

An Land kam dann die große Überraschung für uns Europäer: Der Zeltplatz bestand aus 5 qm Gras und fünf schrägen, winzigen freien Löchern im dichten Wald. Nach reiflicher Überlegung wählten wir die größte und flachste Stelle im Wald. Für uns war klar: Das wird gemütlich und ruhig. War ja eigentlich kaum Platz mehr. Leider war auf dem Wetterbericht auch nicht ersichtlich, dass es sich um ein verlängertes Wochenende handelte. Ab Einbruch der Dunkelheit kamen stetig weitere Kletterer, sodass am Morgen rund um uns etwa 15 Zelte standen, irgendwie zwischen die Bäume gezwirbelt. Im Laufe des Samstags wurden daraus weit über 70 Zelte, teils weit hinten am Strand im Wald, teils zwischen den bereits stehenden. Manche radelten oder liefen her, aber die meisten kamen mit haufenweise Gepäck mit Sue übers Wasser. Schließlich standen ganze Wohnlandschaften um uns herum im Urwald, vollständig mit Bierkästen, Stuhl, Tisch, Feuerschale, Hängematte und Lichterkette. Erstaunlicherweise ging weitgehend alles gesittet zu, aber ein Plumpsklo für über 150 Personen war grenzwertig…

Auch an den Routen gab es teils Schlangen, da sehr viele nicht vorsteigen und die Neuseeländer oben keine Umlenker, sondern Abseilösen installieren. Dadurch dauert es naturgemäß länger. Durch geschickte Sektorenwahl hatten wir dennoch viel Spaß mit langen, sehr gut abgesicherten Sport- und gut abzusichernden Tradrouten in Rhiolyt: Unglaublich rauer Stein mit tollen Rissen.

Am Montag war Sue dann im Dauereinsatz und auf ihrem fünf Personen plus Gepäck fassenden Boot wurde die Zeltgroßstadt – wieder in Taschen verpackt – zur Zivilisation zurücktransportiert. Wir liefen raus, ebenso ein junger Mann, der nur noch seine Klettersachen anhatte: Sein Gepäck war im Durcheinander der tausend Taschen anscheinend mit jemand anderem mit dem Boot gefahren…

Share